MATTHIAS SAUERBRUCH

„Die Ästhetik der Bauwende

Der Moderator der 21. Schlossgespräche Wolfgang Riehle, stieg provokativ ein: „Beim Weltklimarat kam Bauen „sauschlecht weg“!“, so Riehle. Bekanntlich ist das Bauen mit circa 40 % am weltweiten CO2 Ausstoß beteiligt; mit Transportwegen etc. liegt dieser Betrag sogar eher bei geschätzten 50 %. Diesmal war mit Matthias Sauerbruch nicht nur ein Protagonist der Bauwende geladen. Auf dem Podium waren auch zwei Fachleute zum Thema: Die Architektin Annabell von Reutern, die sich mit dem Büro Büro Concular mit zirkuläres Bauen beschäftigt, sowie der Bauingenieur Helmut Zeitter, Professor für Holzbau, Brandschutz und Ingenieurmathematik.

Die Ästhetik der Bauwende“ war das Thema. Wer nun klare Aussagen zu einem neuen Stil in der Architektur erwartet hatte, musste enttäuscht werden. Die Arbeiten des Büros, – vorgestellt wurden unter anderem die Zentrale von „Ärzte ohne Grenzen“ in Genf, das GSW Hochhaus in Berlin, der ConfEx Park in Thessaloniki, und das Museumsquartier M9 in Venedig-Mestre, – sind zwar meist an der für Sauerbruch / Hutton typischen Farbgebung der Fassaden erkennbar. Weit wichtiger sind dem Büro aber die Auseinandersetzung mit dem Ort, die Eigenschaften der verwendeten Materialien und eine Rückbesinnung auf das Wesentliche in der Architektur. So ist der Holzbau zwischenzeitlich zu einem Markenzeichen des Büros geworden. Es geht Sauerbruch um eine Umkehrung des traditionellen Narrativs demzufolge Architektur gezähmte Natur sei. Statt dessen benötigen wir die Rückführung der Natur in die Architektur und einen neuen integralen Ansatz beim Planen und Bauen.

Oder eben ein „Weiter Bauen“ statt „Neu Bauen“. Aus der Wiederverwendung von Bauteilen und Materialien ergibt sich für Annabell von Reutern ein ganz neuer Ausdruck in der Architektur. „Die Ästhetik der Bauwende wird eine Ästhetik der Verfügbarkeit sein“. Aber auch effizienter und materialgerechter Holzbau muss gelernt sein, so Helmut Zeitter, und bietet dann gute Chancen zur Zweitverwertung. Sauerbruch nimm dieses Thema auf und plädiert dafür, Gebäude im Zweifelsfall auch für eine geringere Lebensdauer zu planen, wenn Umbau und Wiederverwertung berücksichtigt werden.

Die bürokratischen und organisatorischen Hürden beim zirkulären Bauen sind jedoch hoch und die Neigung sich abzusichern ist groß. Veränderte Gesetze wären nötig, vor allem aber ein Mentalitätswechsel beim Planen und Bauen.

Am Ende stellt der Mitinitiator der Schlossgespräche, Bernd Müller nochmals die Frage nach dem neuen Stil in der Architektur. Sauerbruchs Fazit: Die moderne (im Gegensatz zur modernistischen) Architektur wird eine erkennbare neue Sprache entwickeln müssen, der man die Auseinandersetzung mit den drängenden Themen der Zeit dann auch ansehen wird.

Schlossgespräche 21, Rückschau mit Matthias Sauerbruch, 18.04.2023